Cyberwährungen: EU-Kommission und EZB zücken die Skalpelle

Am Anfang von Cyberwährungen wie Bitcoin, Ether oder Ripple standen die Freude am anspruchsvollen Programmieren und eine gute Portion Libertinismus: Eine locker international organisierte Gruppe von Programmierern trat an, um privates Geld zu schaffen.

Sie schafften es.  Sie argumentierten vor allem mit Blick auf die Krise von 2008 antikapitalistisch. Sie wollten ihr selbst geschöpftes Geld anonym halten und darüber ohne staatliche Einflussnahme verfügen. Das selbst in der Schweiz gerade untergehende Bankgeheimnis erlebte eine digitale Wiederkehr.

Zu der Goldgräberstimmung passt, dass die Hersteller des virtuellen neuen Geldes sich als „Miners“ bezeichnen. Sie graben nach virtuellem Gold. Das nutzen sie als Geldersatz.

Um das Cybergeld übertragen zu können, schufen die Miners Tauschbörsen sowie die Blockchain, welche Transaktionsdaten sicher speichert und Transaktionen ermöglicht:

Cyberwährungen und Blockchain kamen als siamesische Zwillinge auf die Welt.

Staatliche Behörden hegen keine Sympathie für Bereiche, die sich ihrem Einblick verschließen. Trotzdem wurden Staatsanwaltschaften tätig, wenn es zu massiven Diebstählen durch Hacking kam. Staatliche Stellen hatten auch keine Hemmungen, eingezogene Bitcoins über Auktionen zu versteigern.

Als allerdings immer klarer wurde, dass Cyberwährungen auch als Mittel zur anonymen Zahlung von Erpressungsgeldern und zum Kauf von Drogen dienten, war die Forderung nach staatlicher Zurückhaltung nur noch schwer zu begründen.

Eine Zeitlang gab es in Europa die Bestrebung, die als störend empfundenen Cyberwährungen durch die Erhebung von Umsatzsteuer auf stille Weise aus der Welt zu schaffen. Das setzte sich nicht durch.

Bartels zugeschn.

Dann drehte sich der Wind: Insbesondere in den letzten 1 ½ Jahren gab es eine neue Erkenntnis: Große etablierte Institutionen, allen voran Banken, schlossen sich zusammen und erforschten den zunächst weniger prominenten siamesischen Zwilling, also die Blockchain. Die Blockchain hat unabhängig von den Cyberwährungen einen mächtigen und allgemein anerkannten technologischen Schub ausgelöst, den wir in diesem Blog mehrfach besprochen haben. Der reicht vom Zahlungsverkehr über den Effektengiroverkehr und den Handel aller registrierfähigen Güter bis zum Katasterwesen und Gesundheitswesen. Die Blockchain hat einen noch gar nicht absehbaren wirtschaftlichen Wert. Sie ist jetzt überwiegend den Miners aus der Hand genommen. Und sie braucht die Cyberwährungen nicht mehr, um zu voranzukommen.

Also können europäische und nationale Institutionen jetzt ihre Skalpelle in die Hand nehmen und fachgerecht den als wertvoll erkannten Teil des siamesischen Zwillings abtrennen. Die EU-Kommission legte am 5. Juli diesen Jahres den Entwurf einer Richtlinie zur Verhinderung von Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer Aktivitäten vor. Demnach sollen alle im Bereich der Cyberwährungen tätigen Akteure wie jetzt schon Kreditinstitute verpflichtet sein, verbrecherische Tätigkeiten, also insbesondere Geldwäsche und Terrorismus, aufzuspüren. Anonymität endet bei geringen Freibeträgen, die Transparenz gegenüber den Behörden wird die strenge Regel.

Die Reaktion der Europäischen Zentralbank vom 12. Oktober bestätigt die Kommission und geht über deren Initiative hinaus: Sie verlangt, dass auf der Ebene der Nationalstaaten zentrale Register eingeführt werden, welche die zügige Identifizierung von handelnden Personen gestatten.

Man mag angesichts der jetzt ungehemmten Geldmengensteuerung der EZB darüber schmunzeln, aber sie hebt den Finger so, wie dies dem genetischen Code einer Zentralbank entspricht: Sie nimmt Cyberwährungen trotz ihres verschwindend kleinen Marktvolumens sehr sensibel als eine mögliche Konkurrenz zu dem offiziellen Geld wahr. Eine Zentralbank kann die Menge von nicht selbst ausgegebenen oder autorisierten Zahlungsmitteln nicht steuern. Daraus könnten sich aus ihrer Sicht Risiken für die Wahrung der Geldwertstabilität ergeben (Abschnitt 1.1.2 des Papiers vom 12. Oktober): Wehret den Anfängen!“.

Gute Chirurgen versuchen, beide siamesischen Zwillinge leben zu lassen. Das gilt auch hier:

Die Blockchain wird wachsen und gedeihen, weil sich ihr Gebrauch kontrollieren lässt und weil wir sicher sind, dass wir sie brauchen.

Die Cyberwährungen dürfen auch weiterleben, aber sie tragen bald ein Halsband. Sollten sie trotz der Regulierung gedeihen, dann könnte die Europäische Zentralbank irgendwann die Menge des „Geldes“, welches sie generieren, als Stein im Schuh empfinden. Dann werden die „Cybercurrency Miners“ bald spüren, wie sich das Halsband zuzieht.

Dr. Martin Bartels, LightFin

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