Kryptogeld contra Gold?

Neue Welt contra Alte Welt?

Wie Kryptogeld entsteht

Wie gibt man eine Kryptowährung aus? Man gebe schwierige Rechenaufgaben aus, die sich nur mit mathematischem Sachverstand und hochgerüsteten Rechnern bewältigen lassen. Für das Finden der Lösung gibt das System jeweils eine „Coin“/eine „Münze“ aus. Mit der Zeit werden die neuen Rechenaufgaben immer schwieriger und die Anforderungen an die Rechner immer höher. Die Zahl der insgesamt auszugebenden Münzen ist von vornherein begrenzt, es gibt keine nachträgliche Erhöhung.

Bartels zugeschn.

Die vor den Rechnern schwitzenden Fachleute heißen „Miners“, sie sind also Bergleute. Diese kaufen immer bessere technische Ausstattungen und bezahlen steigende Stromrechnungen, um weiter wertvolle virtuelle Münzen gutgeschrieben zu bekommen.

Die Münzen kann man online gegen andere Münzen oder gegen Geld tauschen. Man hofft immer auf  steigende Preise für die Münzen, weil die Herstellung von Münzen von Anfang an auf die Entstehung von Knappheit ausgerichtet ist.

Was die gute Stimmung kaum trübt

Es stört kaum jemanden, dass es bereits über 1000 Kryptowährungen gibt, denn der Tausch funktioniert über Tauschbörsen im Internet.  Wer etwas Geduld hat und nicht klar erkennbare Trends verpasst, realisierte bisher über Kurszuwächse auskömmliche Gewinne.

Manche Miners erschließen sich als Hacker zusätzliche Einkommensquellen. Sie nutzen ihre technischen Kenntnisse, um sich in andere Systeme einzuschleichen und dort unbemerkt hohe Beträge an sich zu bringen.

Muss die Mathematik die Grundlage des Werts sein?

Die Übereinstimmung bei der Wahrnehmung des Werts von durch Mathematik erzielten Leistungen ist letztlich eine Frage der Übereinkunft, also kulturell. Mathematik ist ein Grundpfeiler aller modernen Volkswirtschaften, daran zweifelt kaum jemand. Mathematik hat Autorität.

Genauso gut könnten man aber auch Münzen für andere herausragende Leistungen ausgeben und dabei deren Zahl begrenzen, um Knappheit zu gewährleisten. Ein Anwendungsfall wäre die Ausgabe von Münzen für die Besteigung von Bergen mit einer Höhe von mehr als 5000 Metern. Die virtuellen Münzen ließen sich dann nach deren Namen mit „Annapurna I“, „Antofalla“, „Ararat“, „Baruntse“, „Everest“, „Ixtachihuatl“ etc. hinsichtlich der unterschiedlichen Höhen und Schwierigkeitsgrade unterscheiden. Zu den Kriterien ‚Schwierigkeit‘ und ‚Knappheit‘ käme dann noch die persönliche Gefahr, die der „Miner“ überwunden hat. Nichts hindert uns, auch für Bergbesteigungen geprägte virtuelle Münzen zu honorieren.

Keine virtuelle Münze bietet eine greifbare Substanz. Sie ist ein elektronischer Eintrag, der mit dem Untergang des Speichermediums oder einer Löschung endet. Sie sind nur wertvoll, wenn wir uns auf einen Wert einlassen. Das ist eine Übereinkunft, sonst nichts.

Ideologie

Die globale Gemeinde der Miners verbreitet auch gerne Gefühle von einer besseren neuen Welt. Die virtuellen Münzen

  1. bedeuteten Freiheit, weil keine Notenbank und kein staatliches System eingreifen könne
  2. bedeuteten Sicherheit, weil sie die Welt von einem auf Schulden und bloßem Glauben an die richtigen Entscheidungen von Zentralbanken befreiten
  3. schützten vor Inflation
  4. eigneten sich gut als Wertspeicher
  5. erlaubten angenehme Gewinnmitnahmen aus Handelsgeschäften
  6. befreiten die Welt von dem umständlich zu handhabenden Bargeld

Zu 1.: Wenn Staaten und Zentralbanken eingreifen wollen, dann werden sie Erfolg haben. Sie können Verbote aussprechen oder abschreckende Steuern erheben. Sie können genug Maßnahmen ergreifen, um abgelehnte Aktivitäten zumindest unwirtschaftlich zu machen. Wenn sie jetzt stillhalten, bedeutet dies für die Zukunft nichts.

Zu 2.: Kryptogeld beruht auf dem Glauben an den Wert mathematischer Leistungen. Es ist nicht angemessen, dies als besser als den Glauben an die richtigen Entscheidungen einer Zentralbank zu bezeichnen.

Zu 3.: Wenn die Kryptologen immer neue Kryptowährungen herausgeben, ist die Behauptung, gegen Inflation zu wirken, nicht durchzuhalten. Die Krypto-Geldmenge wächst ungehemmt. Es ist auch sachlich nicht richtig, das Phänomen der Inflation allein auf die im Umlauf befindliche Geldmenge zurückzuführen.

Zu 4.: Ein Medium, welches an einem Tag ohne ersichtliche Gründe Korrekturen von 20% und mehr erlebt, eignet sich nicht als Wertspeicher. Dennoch tritt ein namhafter „Bewertungspapst“ von der Wall Street mit der Prognose auf, Kryptowährungen würden Gold als Wertspeicher bald vom Thron stoßen. Der einzig sichtbare Versuch einer Begründung dafür ist der Hinweis auf die Denkweise junger Leute. Das ist schwach.

Zu 5.: Wenn etwa die Kryptowährung Monero in wenigen Tagen von US$2 auf über US$55 anstieg, so ist das angenehm für den richtig disponierenden Händler. Ein einzelner Händler gewann mit einem Ether-Geschäft kürzlich in einem Monat US$ 200 Mio.  Dies sind Anekdoten. Darin steckt kein triftiges Argument für oder gegen Kryptogeld.

Zu 6.: Bargeld ist keine Belastung, sondern das bewährteste Tauschmedium überhaupt. Es sichert Diskretion und damit bürgerliche Freiheit. Es begünstigt vernünftiges Sparverhalten. Bargeld funktioniert auch dann noch, wenn einmal der Strom ausfallen sollte. An dieser Schraube dreht man nicht.

Kryptogeld sei scharfe Konkurrenz zum Gold

Seit etwa 6000 Jahren fördern und schätzen die Menschen Gold. Bitcoin trat im Jahr 2008 auf den Plan. Gold liegt in Tresoren und hängt an den Hälsen und Armen der Damen dieser Welt. Keine Löschtaste und kein Festplatten leerender kräftiger Sonnensturm schaffen Gold aus der Welt.

Das meiste des jemals geförderten Goldes ist noch vorhanden. Die Schätzung der Gesamtmenge liegt zwischen 165.000 Tonnen und 184.000 Tonnen. Würde man alles Gold dieser Erde zusammenlegen, ergäben sich gut überschaubare Stapel von Barren.

Keine Kryptowährung kann hinsichtlich der Beständigkeit der Substanz und des Preises mit Gold in Konkurrenz treten und sich als vergleichbarer Wertspeicher behaupten.

Die Liquidität von Kryptowährungen gehört zwar zu deren Vorteilen. Liquidität ist ein natürlicher Engpass für alle Anlagegüter, die auf realer Substanz beruhen. Man denke nur an Immobilien. Wenn es gelingt, die Liquidität eines Substanzwerts zu verbessern, dann erhöht dies ihren Gebrauchswert und also ihre Attraktivität.

Gold hat es jedoch seit vielen Jahren über ETFs geschafft, sich in großen Volumina liquide in den Märkten zu bewegen, ohne dass Verkäufer und Käufer sich um Transport und sichere Lagerung kümmern müssen. Das Depotkonto ist nicht minder bequem zu bedienen als eine elektronische Kryptowährungs-Brieftasche („cryptocurrency wallet“ ). In diesem Bereich gab es zwar immer wieder Zweifel daran, ob die über Fondsanteile gehandelten Goldbestände wirklich immer physisch vollständig vorhanden waren. Solche Zweifel lassen sich indessen über Kontrollen durch unabhängige Dritte ausräumen. Sie sprechen nicht gegen ETFs als eine mögliche Antwort auf die Frage nach der Liquidität eines Substanzwerts.

In den Jahren 1996 bis 2007, also in der Zeit vor der Blockchain, gab es bereits den zunächst sehr erfolgreichen Versuch, Gold unter dem Namen E-gold über Konten für Privatkunden elektronisch ähnlich liquide wie staatlich ausgegebenes Geld zu machen. Der Anlauf scheiterte aus dem hauptsächlichen Grund, dass das Unternehmen nicht dem Druck von Hackern und kriminellen Kunden standhielt. Das Unternehmen hatte nicht genug Kryptologen zu seiner Verteidigung an Bord.

Die Akteure im Edelmetallgeschäft haben indessen keine Hemmungen, sich der Blockchain aus der Welt der Kryptowährungen zu bedienen, wenn dies ihrem Bestreben entgegenkommt, Gold zum Sparen oder als Zahlungsmittel für den täglichen Gebrauch liquider zu machen.

Im Grenzbereich zwischen der Kryptowelt und dem Goldmarkt bewegt sich bereits der Goldmarkt-Anbieter Vaultoro. Das Tauschmittel für Edelmetall ist dort Bitcoin, Speicherort ist eine Blockchain.

Aus Dubai meldet sich jetzt die Initiative ONEGRAM.  Sie bemüht sich mit in der Blockchain abgebildetem Gold, einer Mengenbegrenzung und einer Kapitalisierung über ein Initial Coin Offering  um den Einlass in die Welt der Kryptowährungen.

In Kürze treten die Royal Mint und CME Group mit liquiden Tokens im Gegenwert von zunächst US$1 Mrd. an den Markt. Diese sollen jeweils einem Gramm Gold entsprechen und in der Blockchain abgebildet sein.

Euroclear bereitet mit einer Plattform für die Abwicklung von Goldgeschäften den Markteintritt im Interbankengeschäft vor. Durch die Eingabe von Eigentumsrechten und Transaktionen über Gold aus Sammelbeständen in die Blockchain will man niedrigere Transaktionskosten und eine Erhöhung der Transaktionssicherheit erreichen.

Schlussfolgerungen

Gold ist kein mit Mitteln der Kryptologie geschaffenes Vermögensgut. Die Goldminen betreiben Bergingenieure und Bergleute, nicht Programmierer. Goldbarren und Münzen sind physischer Natur, nicht das Ergebnis von angewandter Mathematik.

Die Bestrebungen von Anlegern mögen sich in einigen Bereichen decken, aber die DNA der Coin Miners und die der Gold Miners ist unterschiedlich.

Die Blockchain ist ein Nebenprodukt der Kryptowährungen. Sie hat offenbar das Zeug, alle Anlageklassen liquider und damit wertvoller zu machen. Liquidität und erhöhte Sicherheit nützen allen Beteiligten. Nichts spricht dagegen, dass zunächst die Blockchain und vielleicht später andere Komponenten des Kryptouniversums das Goldgeschäft voranbringen.

Die Neue Welt der Kryptologen schafft neue technische Werte, auch für die Alte Welt. Es geht nicht um Konkurrenz oder Konfrontation. Entscheidend ist die Eignung für bestimmte technische Ziele.

Das „contra“ in der Überschrift sollte nur Aufmerksamkeit wecken. Jetzt verdient es die Löschtaste.

Dr. Martin Bartels, LightFin

3 Antworten

  1. Wirklich? Liquidität ist ein natürlicher Engpass für alle Anlagegüter, die auf realer Substanz beruhen.
    Fragen wir Draghi nach Fiat Geld aus dem puren Nichts.

  2. Ein guter Artikel, der allerdings einige Fehler enthält:

    1. Eine virtuelle Währung geht nicht mit dem Untergang des Speichemediums unter. Das ist nur der Fall, wenn das GESAMTE Internet für IMMER ausgeschaltet wird – und das würden Milliarden von Menschen nicht überleben. Die Kryptowährung ist ja ewig in der Blockchain gespeichert.

    2. Es gibt keinen Staat, der Kryptowährungen wirksam verbieten könnte. ALLE Staaten müssten das gemeinsam beschließen – geht aber nicht, weil in einigen Ländern (Japan) bereits legales Zahlungsmittel und andere (China, Russland) dies vorbereiten.

    3. Kryptogeld ist stets besser als der Glaube an die FALSCHEN Entscheidungen der Zentralbanken.

    4. Zu 6.: Die Staaten versuchen doch gerade, das Bargeld zu kriminalisieren und abzuschaffen.

    5. Der Goldpreis ist von den Zentralbanken manipuliert, Kryptowährung wohl noch nicht.

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