Die kürzlich auf den Bildschirm gebrachte Frage nach dem praktischen Nutzen der Blockchain lässt sich nur stückweise beantworten.
Nun gibt es zwei interessante Anwendungsfälle:
1. Kataster:
Das IT-Unternehmen ChromaWay, das Consultingunternehmen Kairos Future und das Telekommunikationsunternehmen Telia entwickeln nun im Auftrag der schwedischen Regierung ein auf der Blockchain aufgebautes Katastersystem.
Dies ist nach Honduras die zweite solche Initiative.
Eine dritte deutet sich für Georgien an. Es passt ins Bild, dass hier der große Vordenker Hernando de Soto als Berater an Bord ist. Die Blockchain schafft nun die technischen Voraussetzungen für das, was er vor Jahren als Infrastruktur für eine wirklich moderne Marktwirtschaften forderte. Er wird freundlich lächeln.
Schweden ist nicht für ein ineffizientes Katasterwesen bekannt, aber offenbar erkennt man Potenzial für Effizienzsteigerungen. Georgien gilt als relativ effizient, strebt jetzt nach Verbesserungen, und Honduras muss ein uraltes verstaubtes System ersetzen. Dabei werden wohl Kataster- und Grundbuchsysteme gleich miteinander verschmolzen.
Man stelle sich vor, dass es möglich sein wird, an einem Tag
- die Voraussetzungen für die Ausreichung eines Immobiliendarlehens zu prüfen (Feststellung der Bonität über Algorithmen) ,
- das Eigentum an der zu belastenden Immobilie sowie etwa bestehende Rechte Dritter zu prüfen (Blockchain),
- die Sicherheit an die Bank zu übertragen (Blockchain) und den Darlehensbetrag auszuzahlen (Blockchain oder SEPA).
Das ist hochwertiger Schmierstoff für die Immobilienwirtschaft.
Es muss nur funktionieren. Unsere schwedischen Nachbarn werden das System erst dann dem nationalen Gesetzgeber auf den Tisch legen, wenn sie sich ganz sicher sind. Bevor sie die staatlichen Papierregister aufgeben, wird es noch viel Entwicklungsarbeit und sehr viele Probeläufe und vor allem Belastungstests geben. Papier zu bewegen mag im Vergleich langsam sein, aber im Gegensatz zu Festplatten verliert sorgfältig verwahrtes Papier etwa bei Überspannung oder Sonnenstürmen keine Informationen.
2. Cat Bonds
Cat Bonds sind Schuldverschreibungen, die nichts mit Katzen zu tun haben. Mit „cat“ sind „catastrophes“ gemeint: Wenn ein bestimmtes Risiko (Wirbelsturm, Erdbeben) eintritt, verliert der Investor den Anspruch auf die Rückzahlung des ganzen oder eines Teils des eingesetzten Kapitals und der Zinsen. Der sensible Punkt sind bei den Anleihebedingungen die „Zünder“ für den plötzlichen Verlust des Rückzahlungsanspruchs.
Die Allianz hat jetzt einen erfolgreichen Testlauf für einen über die Blockchain gesteuerten automatischen Ablauf nach dem Eintritt eines Risikos durchgeführt. Damit werde die Fehleranfälligkeit insbesondere bei der Abwicklung von Zahlungen reduziert. Man bezeichnet dies als ein Beispiel für „smart contracts“.
Hier stellt sich die Frage nach dem Umfang des Rationalisierungseffekts. Investoren in Cat Bonds sind typischerweise professionelle Anleger, die die mit dem Instrument verbundenen Risiken einschätzen können. Ihre Aufmerksamkeit gilt bei Eintritt eines Risikos den im Vertrag festgelegten Bedingungen. Sie analysieren, ob die Voraussetzungen für den Wegfall des Rückzahlungsanspruchs tatsächlich eingetreten sind. Dabei können sich anspruchsvolle Abwägungsfragen stellen.
Die Abwicklung von Zahlungen funktioniert hingegen wie bei anderen Anleihen ganz normal über die Depotbanken. Gibt es hier wirklich einen Rationalisierungsbedarf, der jetzt schmerzt?
Es geht immer um den spürbaren wirtschaftlichen Effekt, nicht um den technischen Reiz einer neuen Technik.
Dr. Martin Bartels, LightFin