Finanzierungsrunden mit Venture Capital-Gesellschaften auch ohne Vertraulichkeitsvereinbarung ?

KMS zugeschn.
Dr. jur. Kay-Michael Schanz

Venture Capital-Gesellschaften verweigern bei Ansprache durch Kapital suchende Unternehmen immer häufiger die Unterzeichnung von Vertraulichkeitsvereinbarungen. Dieser Trend hat in den USA begonnen, ist in jüngster Zeit aber auch in Deutschland zu beobachten, da auch hier die VCs vor dem Hintergrund ihres (wachsenden) Dealflows zunehmend den mit der Prüfung und Verhandlung von Vertraulichkeits- vereinbarungen verbundenen Aufwand scheuen. Ebenso wichtig ist für sie die Befürchtung, dass sie sich durch eine solche die Möglichkeit einer Investition in Unternehmen mit vergleichbaren Geschäftsmodellen verbauen.

Im Bereich der Start Up-Finanzierung spielen solche Vereinbarungen dann eine besondere Rolle, wenn die VC-Gesellschaft bereits Beteiligungen in derselben Branche oder gar Wettbewerbern hat. Auch wenn der Diebstahl fremder Ideen durch VCs eher die Ausnahme darstellen dürfte (hierauf spezialisierte und hierfür bekannte VCs bestätigen die Regel), liegt der Verzicht auf Vertraulichkeitsvereinbarungen sicherlich nicht im Interesse der Start Ups. Dies gilt in Anbetracht der disziplinierenden Wirkung der Vereinbarungen ungeachtet der Tatsache, dass die Durchsetzung von Ansprüchen aus solchen in der Praxis selten von Erfolg gekrönt ist: Noch schwieriger als der Nachweis der Verletzung als solcher ist meistens der eines Schadens.

Junge Unternehmer sehen sich damit verstärkt mit der Frage konfrontiert, ob sie auch vor VCs pitchen wollen, die Vertraulichkeitsvereinbarungen ablehnen. Dies dürfte im Falle renommierter VCs regelmäßig unschädlich sein. Letztendlich sollten (junge) Unternehmen in diesem Zusammenhang, aber auch bei Gesprächen mit potentiellen Partnern, Zulieferern oder Kunden, die folgenden Aspekte beachten:

  • Sinnhaftigkeit von Vertraulichkeitserklärungen

Vertraulichkeitserklärungen machen nur dann Sinn, wenn es tatsächlich etwas Schützenswertes gibt. Viele Unternehmer glauben, ihre Idee sei einzigartig. Genau genommen macht die Idee als solche aber häufig lediglich einen kleinen Teil des Erfolgs aus; der überwiegende Rest des Erfolgs liegt in der tatsächlichen Umsetzung.

  • Offenlegung erst nach Kenntnis

Substantielle Informationen sollten nur dann offen gelegt werden, wenn man den Empfänger und seine Absichten kennt. Unternehmer sollten vor einem Pitch daher den Hintergrund der anzusprechenden Investoren checken und ggfs. Referenzen einholen, sofern es sich hierbei nicht um bekannte VCs handelt. Dies kann auch die Kontaktierung von Unternehmen umfassen, an denen der besagte Investor bereits beteiligt ist. Dabei geht es nicht nur um die Frage, inwieweit dieser professionell agiert und vertrauenswürdig ist, sondern auch um die Identifikation von Interessenkonflikten, z.B. infolge von Investments in derselben Industrie.

  • Patentanmeldung

Bei patentierbaren Konzepten sollte eine Patentanmeldung vor Ansprache von Investoren oder anderer Dritter in Erwägung gezogen werden.

  • Stufenweise Offenlegung

Gründer sollten in Diskussionen mit Dritten sorgfältig überlegen, wann welche Informationen offen gelegt werden. In einer ersten Präsentation ist die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen regelmäßig überflüssig. Auch in den nächsten Gesprächsrunden reicht es oftmals aus, darzustellen, was einzigartig ist, z.B., was ein Algorithmus kann. Eine Aufdeckung der eigentlichen Geheimnisse genügt meist in einem fortgeschrittenen Stadium, in dem viele VCs tatsächlich zur Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung bereit sind. Letztendlich empfiehlt sich ein gradueller Prozess, der mit dem Schälen einer Zwiebel vergleichbar ist.

Dr. jur. Kay-Michael Schanz, Schanz & Coll. Rechtsanwälte

Eine Antwort

  1. Die graduelle Offenlegung kann ich aus meiner Erfahrung nur unterstützen, ich halte sie auch für ein seriöses Vorgehen. Auch sollte man die Frage der Patentanmeldung als sehr wichtig einstufen. Eine gewisse Abschreckung enthalten beide, und das ist auch gut so.

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