Viele von uns befällt angesichts des unter Mühen ausgehandelten Entwurfs eines Koalitionsvertrags die Sorge. Denn Schwung und Begeisterung der wahrscheinlichen Koalitionäre hätten in den Medien überzeugender herüberkommen können.
Gleichwohl: Schaut man auf den Wortlaut des Entwurfs, so ist in zwei uns besonders interessierenden innovativen Bereichen zumindest ein verhaltener Beifall angebracht. Schauen wir also auf Einzelheiten:
Gründungen und Wagniskapital
Abschnitt IV. definiert einen für die von Innovationen abhängige deutsche Volkswirtschaft lebenswichtigen Ansatz für Forschung und Innovation. Dazu gehört eine Strategie zur beschleunigten Digitalisierung.
Ab der Randzahl 2844 legt sich die Koalition darauf fest, in Deutschland die Neugründung von innovativen Unternehmen zu erleichtern. Wichtig ist insbesondere die folgende Passage, die wir gern im Originalton wiedergeben:
„Wir schaffen Strukturen, die Neugründungen und Nachfolge in der Start- und Übergangsphase unterstützen. In der Start- und Übergangsphase werden wir die Bürokratiebelastung auf ein Mindestmaß reduzieren. In den ersten beiden Jahren nach Gründung werden wir die Unternehmen von der monatlichen Voranmeldung der Umsatzsteuer befreien. Zudem werden wir die Bedingungen für Wagniskapital weiter verbessern. Antrags-, Genehmigungs- und Besteuerungsverfahren werden wir vereinfachen. Ziel sollte ein „One-Stop-Shop“ sein. Wir brauchen in Deutschland eine deutliche Ausweitung des Volumens des Wagniskapitalmarktes, um insbesondere Unternehmen in der Wachstumsphase zu unterstützen. Deshalb wollen wir die Einführung steuerlicher Anreize zur Mobilisierung von privatem Wagniskapital über die bisherigen Maßnahmen hinaus prüfen. An diesen Wagniskapitalfinanzierungen sollen sich Privatwirtschaft, öffentliche Hand, KfW und europäische Finanzpartner beteiligen.“
Krypto-Sphäre
Derzeit beraten wir erstmals ein Unternehmen bei seinem ICO. Also nahmen wir mit Spannung ab Randzahl 3208 zur Kenntnis, dass die neue Regierung die innovative und sich im Land dynamisch entwickelnde Krypto-Sphäre nicht mit dem Holzhammer zu bearbeiten gedenkt:
„Deutschlands Rolle als einer der führenden Digitalisierungs- und FinTech-Standorte ist zu stärken. Wir werden unnötige bürokratische Hemmnisse beseitigen und dafür sorgen, dass Geschäfte mit gleichen Risiken auch gleich reguliert werden. Um das Potential der Blockchain-Technologie zu erschließen und Missbrauchsmöglichkeiten zu verhindern, wollen wir eine umfassende Blockchain-Strategie entwickeln und uns für einen angemessenen Rechtsrahmen für den Handel mit Kryptowährungen und Token auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen. Die Möglichkeiten der bargeldlosen Zahlung sollen im digitalen Zeitalter erweitert werden.“
Die deutsche Industrie und deutsche Dienstleister befassen sich intensiv mit den sich aus der Krypto-Szene ergebenden Möglichkeiten. Sie engagieren sich nach gründlicher Analyse auch finanziell, denn es geht um weitreichende technische Fortschritte. Also verdient der neue Sektor professionelle Hochachtung und Unterstützung.
Dazu gehört auch ein berechenbarer rechtlicher Rahmen für den Verkauf von Tokens und virtuellen Zahlungsmitteln. Die Szene erkennt dieses Bedürfnis auch ohne Zögern an.
Allerdings kann es keine Regulierung auf einen Schlag geben. Die Abläufe und die Dynamik sind so grundverschieden vom klassischen Kapitalmarkt, dass nur ein schrittweises Herangehen Erfolg verspricht und die Zerschlagung von wertvollem Porzellan vermeidet.
Ein gutes Beispiel bietet die südkoreanische Finanzmarktaufsicht, die in einem ersten Schritt auf sehr pragmatische Weise vorging. Deren Regelung ist am 30. Januar diesen Jahres im Kraft getreten. Deren erstes Ziel ist es, „den Spielraum für die Nutzung von Kryptogeld-Transaktionen für illegale Tätigkeiten, also Verbrechen, Geldwäsche und Steuerflucht, einzuschränken.“ Also darf es dort keine anonymen Transaktionen und keine Geschäfte mit Minderjährigen mehr geben.
Das klingt nach wenig, aber dieses Vorgehen nimmt schon sehr viel Druck aus dem Kessel. Die Behörden werden dort wie hier den Markt besser verstehen lernen, sich untereinander austauschen und behutsam Spielregeln formulieren. Die Debatte in den USA ist ebenfalls im Grundton positiv und weist in dieselbe Richtung.
Unser Eindruck
Deutschland stimmt in den Kanon der vorsichtig Konstruktiven ein, wir dürfen für die hiesige Krypto-Branche zuversichtlich sein.
Dr. Martin Bartels, LightFin